Dorfmoderation

Dorfmoderatorin Beate Stoff: „Schön hier!“

Dorfmoderatorin Beate Stoff hat jetzt ihre Abschlussbilanz zur Moderation vorgestellt. Für schmissberg.de war das ein Grund, die vergangenen zwei Jahre in einem Interview noch mal Revue passieren zu lassen.

vom 12. August 2022

Die Gemeinde Schmißberg im 21. Jahrhundert.

Im Schmißberg ist nach zwei Jahren Laufzeit die begleitete Dorfmoderation mit Dorfmoderatorin Beate Stoff jetzt abgeschlossen worden. In einer Bürgerversammlung haben die Gemeinde und Dorfmoderatorin Beate Stoff Bilanz gezogen und den Abschlussbericht vorgestellt. Der 36 Seiten lange Bericht kann hier eingesehen werden. Die Präsentation dazu ist hier abrufbar. Das Ende der Dorfmoderation haben wir von schmissberg.de zum Anlass genommen, ein Interview mit Dorfmoderatorin Beate Stoff zu führen.


schmissberg.de: Was war Ihr erster Gedanke, den Sie hatten, als Sie das erste Mal nach Schmißberg kamen?

Dorfmoderatorin Beate Stoff: Schön hier!

schmissberg.de: Was genau war der erste Punkt, den Sie angehen wollten? Ist dieser Punkt erledigt?

Beate Stoff: Es gab einige Ideen rund um die Gestaltung des Geländes an der Storchenvoliere, da ist es im Zusammenspiel von IG Storchenfreunde, Ortsgemeinde, Verbandsgemeinde und Dorfmoderation gelungen, die Planungen schnell konkret zu machen und zusätzliche Fördermittel für die Umsetzung zu akquirieren. So konnten im Zuge der Renaturierung des Bachlaufs die Flachwasserteiche angelegt werden und im weiteren Verlauf des Jahres 2021 auch die verschiedenen Beete, die Sitzgruppe etc.!

schmissberg.de: Was war die größte Herausforderung in der Gemeinde, abgesehen von den Bedingungen unter Corona zu arbeiten?

Beate Stoff: Es gab ziemlich viele unterschiedliche Themen und Maßnahmen, die parallel bearbeitet wurden. Das ist aber bei Dorfmoderationen nicht unüblich und macht auch den Reiz aus. Wichtig ist dabei aber immer, selbst den Überblick nicht zu verlieren und das richtige Maß zu finden für die vor Ort handelnden Personen, die das alles auch umsetzen müssen. „Zu viel“ führt zu Überforderung, „zu wenig“ ist schlecht für die Motivation und man verliert unter Umständen auch Zeit.

schmissberg.de: Dennoch die Frage: Wie sehr hat Corona Ihre Arbeit in Schmißberg beeinflusst? Was konnten Sie nicht realisieren?

Beate Stoff: Leider nicht so gut umgesetzt werden konnte die Arbeit in verschiedenen offenen Arbeitsgruppen in Präsenzform. Da haben uns die Corona-Beschränkungen schon sehr stark eingeschränkt, weil zeitweise schlicht keine Treffen erlaubt waren. Davon betroffen waren auch Ideen für zusätzliche Veranstaltungen, z.B. Infoveranstaltungen rund um das Thema „Erneuerbare Energien“, „Dorfgeschichte“ oder „Barrierefreies Wohnen“. Aber „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ – diese Veranstaltungen könnten (und sollten) zukünftig auf jeden Fall stattfinden!

Dorfmoderatorin Beate Stoff geht im September 2020 gemeinsam mit Schmißbergerinnen und Schmißbergen durch die Gemeinde, um einen ersten Eindruck zu bekommen.

schmissberg.de: Welches der Projekte, das Sie mit betreut haben, war für Sie das Herausragendste? Warum war es das?

Beate Stoff: Das war die Erstellung der Dorfchronik (a. d. R. Die Dorfchronik ist fertiggestellt und kann gekauft werden), weil gerade in der Anfangszeit wegen des langen Winter-Lockdown 2020/2021 fast alles digital ablaufen musste, Trotzdem haben ganz viele unterschiedliche Leute an der Dorfchronik mitgewirkt und so ist das Gesamtergebnis wirklich bemerkenswert, denn es gab kein einziges Treffen, wo alle dabei waren, die einen Beitrag geschrieben haben. Rudi Weber hat die Fäden bestens zusammengehalten!

schmissberg.de: Wie bewerten Sie die Beteiligung der Menschen im Ort?

Beate Stoff: Im Vergleich mit anderen Orten ist hier der feste Stamm von Aktiven, die sich in ganz unterschiedlichen Gruppen beteiligen, deutlich höher. Geschätzt ist es fast ein Viertel der Bevölkerung, das ist ein toller Wert!

schmissberg.de: Wovon hängt diese ab? Gibt es Unterschiede zu anderen Gemeinden?

Beate Stoff: Je kleiner ein Ort ist, desto höher ist in der Regel die Beteiligung, aber das ist kein Automatismus. Vieles hängt davon ab, ob es „normal“ im Sinne von gelebter Tradition ist, sich für das Dorf zu engagieren, ob es unterschiedliche und auch immer wieder neue Möglichkeiten zur Beteiligung gibt und ob es wertgeschätzt wird, wenn Menschen sich einbringen, Das ist hier in Schmißberg sicher der Fall, ist aber leider nicht überall so.

schmissberg.de: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Beate Stoff: Zum einen die rasend schnelle Umsetzung der Kalenderidee der IG Storchenfreunde. Das war eigentlich nur eine locker eingestreute Idee im Telefonat mit Andreas Damm und schon ein paar Wochen später gingen die Druckexemplare in den Verkauf und wurden zum Kassenschlager!

Und zum anderen die Offenheit, Weitsichtigkeit und Professionalität, mit der die Ortsgemeinde agiert. Das steht und fällt in jedem Ort natürlich mit den handelnden Personen – Bürgermeister und Ratsmitglieder – in Schmißberg kommt aber noch hinzu, dass es seit vielen Jahren eine Tradition der Dorfentwicklung gibt. Das machte es mir oft leicht, wichtige Zukunftsthemen (s.u.) zu platzieren.

Im Oktober 2020 treffen sich die Dorfmoderatorin Beate Stoff und „Schmißbergs Zukunft“ auf dem Spielplatz der Gemeinde.

schmissberg.de: Woran sollten die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde in Zukunft konkret arbeiten? Haben Sie Beispiele?

Beate Stoff: Aus meiner Sicht gibt es zwei große Herausforderungen in den nächsten Jahren. Das eine ist der demografische Wandel, der schleichend aber sicher kommt. Der Anteil der älteren Menschen wird steigen, und damit zusammenhängend auch der Unterstützungsbedarf, damit sie so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können. Das muss unser Ziel in den Dörfern sein, sonst droht eine Kettenreaktion: stärker sinkende Bevölkerungszahlen, zunehmender Leerstand, geringere Kaufkraft, Abbau von Grundversorgung und anderer Infrastruktur usw.! Konkret muss sich jede/r Einzelne damit beschäftigen, wie „Wohnen im Alter“ für sie und ihn aussehen soll: Muss die Wohnung oder das Haus vielleicht barrierefrei umgebaut werden? Wer hilft, wenn ich Alltäglichkeiten wie Einkauf, Gartenpflege oder Fahrten nicht mehr schaffe? Eine Ortsgemeinde kann hierbei mithelfen, indem sie ein dörfliches Unterstützungsnetzwerk aufbaut, in dem sich jüngere Menschen engagieren und älteren Menschen bei der Alltagsbewältigung helfen.

Das andere große Thema ist der Klimawandel. So ganz allmählich bekommen wir ja eine Ahnung, was „Zunahme der Extremwetterereignisse“ konkret bedeutet. Eigentlich ist schon seit Jahren klar, was zu tun ist: Verringerung des CO2-Ausstosses, weg von fossilen Energieträgern, Ausbau der erneuerbaren Energiequellen, Schutz von Artenvielfalt und Biodiversität. Auch hier können und müssen sowohl die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, als auch die Ortsgemeinde aktiv werden. Neben privaten Maßnahmen wie Austausch der Heizungsanlagen, Senkung des Energieverbrauchs, Nutzung der Sonnenenergie, Verzicht auf Flächenversiegelung etc. gibt es hier auch Ansätze für die Ortsgemeinde. So haben wir in der Dorfmoderation über den Bau einer großen PV-Freiflächenanlage und den Aufbau eines Nahwärmenetzes gesprochen, das sind in Verbindung mit den Maßnahmen zum Natur- und Artenschutz vor Ort alles Schritte in die richtige Richtung.

schmissberg.de: Wie lange machen Sie schon Dorfmoderationen?

Beate Stoff: Insgesamt seit 2010 und über das Landesprogramm seit 2013

schmissberg.de: Wie viele Gemeinden haben Sie schon betreut?

Beate Stoff: 14

schmissberg.de: Warum arbeiten Sie als Dorfmoderatorin?

Beate Stoff: Ich finde es wichtig, dass sich ländliche Räume gut entwickeln und fit für die Zukunft sind. Denn sowohl der demografische Wandel als auch der Klimawandel hinterlässt schon jetzt deutliche Spuren und beides wird in den nächsten Jahren noch stärker eine Rolle spielen. Mit jeder Dorfmoderation kann ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass sich sowohl die Dörfer insgesamt, als auch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger damit befassen, ihre Zukunft zu gestalten. Das ist für mich auch immer ein Stück gelebte Demokratie durch Mitgestaltung. Außerdem ist jedes Dorf und damit auch jede Dorfmoderation anders – das macht die Arbeit reizvoll. Immer mehr oder weniger das Gleiche machen könnte und wollte ich nicht!

schmissberg.de: Wie geht es für Sie „nach Schmißberg“ weiter?

Beate Stoff: Neben meinen verschiedenen anderen Projekten, an denen ich arbeite, läuft die Dorfmoderation in Niederhambach noch bis Jahresende 2022. Und gerade gestartet ist Anfang August die Dorfmoderation in Oberhambach.

schmissberg.de: Was erhoffen Sie sich für die Zukunft in Bezug auf das Leben auf den Dörfern insbesondere Schmißberg?

Beate Stoff: Die Herausforderungen in den nächsten Jahren sind schon mächtig – ich hoffe, dass möglichst viele Menschen optimistisch bleiben und mithelfen, das Leben vor Ort positiv mitzugestalten. Denn dann bleiben die Dörfer lebendig und auch die lokale Klimawandelanpassung kann gelingen. Schlimm wäre „nichts tun“, das Allerschlimmste wäre „nichts tun aber meckern“!

schmissberg.de: Was wollten Sie schon immer mal allen Schmißbergerinnen und Schmißbergern sagen, wofür bislang aber noch keine Zeit war?

Dorfmoderatorin Beate Stoff: Schmißberg ist gut unterwegs – helfen Sie mit, dass es so bleibt!


Dorfmoderation von Land mitfinanziert

Die Gemeinde Schmißberg bekommt für die Teilnahme an der Moderation Fördergeld vom Land Rheinland-Pfalz aus dem Dorferneuerungsprogramm. 

Bis zu 15.000 Euro darf die Gemeinde im Rahmen einer Dorfmoderation für die Dorfgestaltung investieren. Davon übernimmt 80 Prozent das Land.


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